O-Jollen Europa Cup 2021

von 23. bis 27. August 2021 bei der FRAGLIA VELA MALCESINE

 

Dem Ergebnis nach müsste es eine Rechtfertigung werden …

… ich hoffe, ein sehr persönlicher Bericht tuts auch!

 

 

Anreise Sonntag in aller Herrgottsfrüh, damit ich schnell am Lago bin. Die Idee war gut, viel zu viele Italien Urlauber hatten die gleiche. So brauchte ich zweieinhalb Stunden länger als geplant, aber mittäglicher Sonnenschein und kurz darauf pünktlich “Ora“ ließen die Überlastung bedingten Ohne-Ersichtlichen-Grund-Staus sofort vergessen. Endlich wieder einmal zum Segeln am Gardasee! Und das nicht bei irgendeiner Regatta, sondern beim Messen mit den Besten.

 

Motiviert durch die immer besseren Platzierungen daheim, war ich guter Dinge und – wie ich dachte – bereit. Also schnell Schiff ausgepackt, aufgebaut und dann nichts wie raus aufs Wasser.

Einige andere Segler nutzten den Nachmittag ebenfalls für ein paar Probeschläge und – Hurra! – ich konnte mithalten. Bei ungefähr 3 Beaufort und für jemanden vom Mattsee doch schon beträchtlicher Welle inmitten der Elite. Traum! … oder besser: ich träumte schon wieder.

 

Anlegen, Boot versorgen, Zimmer beziehen, mit Martl, dem nächstwöchigen Zimmerkollegen, Essen gehen. Primo “Carbonara“ (come sempre in Italia), secondo “Profiterol“ e dopo un cafe “ristretto“: Italienherz was willst Du mehr?

Horst stieß auch noch zu uns und mit uns an: Morgen gehts los!

 

Bei Meldeschluss waren es 77 Teilnehmer aus vier Nationen, zum ersten Start 74 aus drei Nationen (Der Schweizer aus Ancona kam leider doch nicht.).

 

Zuvor zuerst eine kurze, aber sehr amüsante Steuermannsbesprechung. Der Präsident der Fraglia begrüßte, erklärte, fabulierte und beschrieb wortgewältig mit beinahe poetischen Phrasen auf italienisch und der Regattaleiter „übersetzte“ kurz und knapp genau das, was er in seiner Funktion transportiert wissen wollte ins Deutsche.

Das Wichtigste schien, uns zu erklären, dass hier in 2 Wochen fast 150 Motten (von denen gefühlt schon ein Drittel da waren und/oder ankamen) um den Weltmeistertitel rumsausen werden und es eng werden kann mit den Liegeplätzen. Und ich kann schreiben: der Platz wurde tatsächlich knapp, aber Dank der weitläufigen Clubanlage, ging sich alles doch irgendwie aus.

 

Kurz vor dem Auslaufen wurde noch die Ausrüstungskontrolle ebenso charmant wie gewissenhaft abgewickelt. Es kann beginnen!

 

Die erste Wettfahrt, Montagmittag um 1 überraschend nicht bei “Ora“ sondern mit “Vento“. Anfangs ungefähr 3 Beaufort und Malcesine-Nordwind-Welle. Der Start klappte (auch bei mir) und es ging weit auseinander gefächert zur Luvtonne. Ich mittendrinn, guter Dinge, aber leider mit deutlich weniger Höhe als die übrigen. Da ich frei segeln konnte vorerst kein Problem. Je näher ich zur Boje kam, desto dichter wurde der Verkehr und einer nach dem anderen schlupfte noch durch. Trotzdem rundete ich irgendwo zwischen Platz 30 und 35. „Passt eh“, dachte ich, „weil bergab bin ich eh schnell“. Nur die anderen leider auch. Pro weiteren Schenkel verlor ich im Schnitt 5 Plätze und fuhr als 52. über die Linie; 42 Plätze hinter Martl und 15 vor Horst. Resümee: Die Luft ist dünn im Haifischteich!

 

Zweite Wettfahrt bei immer noch, aber schon schwächer werdendem Nordwind, was die Jury wegen des weit auseinander gezogenen Feldes zu einer Bahnverkürzung an der 2. Leetonne veranlasste. Eine weise Entscheidung, denn der Nord schlief endgültig ein. Wir Österreicher schafften es als 16., 49. und 65.  ins Ziel, und die letzten gerade noch bevor die “Ora“ binnen 15 Minuten das Windkommando übernahm.

 

Der Kurs war in Rekordzeit umgelegt, das Feld bereit zum Start zur 3. Wettfahrt. Vielleicht etwas zu bereit, denn die Frühstarts häuften sich, was bald einmal mit „Black Flag“ beantwortet wurde. Das Feld kam weg … aber nicht rund um den Kurs. Die schon von der tageszeitlichen Entstehung nicht typische Oro verlor an Kraft. Drei lange Huptöne und der erste Segeltag war vorbei.

 

 

Abends elegantes Speisen auf der Terrasse des Hotel Sailing Center mit den Groenevelds und mit Thomas und Jürgen sowie Judith vom Müggelsee, der einzigen Steuerfrau im Feld, da die Holländerin nicht nur ein Schiff mit Namen “Trouble“ hatte, sondern bedauerlicherweise auch einen solchen mit ihrem Bein. “Gute Besserung!“

 

Zweiter Tag: Ora normale ab Eins, Tendenz schwächer werdend. Drei eigentlich gute Starts und dann jedes Mal Lehrgeld-Zahlen im großen Feld. An der 1. Luv meist um den 30. und danach mit viel Speed zur Lee. Dann gleich wegen Außenposition mindestens 20 Plätze „hergeschenkt“. Danach Verzweiflungsschläge bergauf, Luvbojenkontakt mit anschließendem Ringerl, Konkurrentenbootkontakt inklusive weiterem Ringerl, gnadenloses Nach-Hinten-Durchgereicht-Werden.

 

Nächstes Race neue Chance und nach der ersten Kreuz auch wieder halbwegs dabei. Aus Fehlern gelernt, behauptete ich von oben bis unten die Innenposition. Den Routiniers neben mir an der Leetonne war das allerding ziemlich egal, sie gnorierten mich diesmal wieder. Rufen reichte nicht, reindonnern traute ich mich nicht. Beim Ausweichen, um die Kollisionen zu vermeiden, fast drei unschuldige Nachkommende abgeschossen und den Großbaum beim unkontrollierten Halsen – eine Zeit lang mit der Großschot um den Ausleger gewickelt - mehrmals mit Kopf und Schulter gestoppt. Wieder hinten, wieder Verzweiflung, wieder der taktische Standardfehler, zu Früh die Einbahn zum Kapp zu verlassen … und etwas Kopfweh.

 

Die 3. Wettfahrt an diesem Tag verlief anders: da war ich von Anfang an am Ende des Feldes und ersegelte immerhin einen Rekord. Einsam, aber sicher war ich derjenige, der dem Westufer des Gardasees am nächsten war.

Und eine neue Erfahrung habe ich auch noch gemacht: die Bojen wurden jedes Mal gleich nach meinem Runden geborgen. Bei dieser Gelegenheit Danke an die Wettfahrtleitung, dass sie die Ziellinie nicht als der Vorletzte gewertet war, auflösten!

 

Das war nicht wirklich mein Nachmittag! Martl biss leider auch ab, nur Horst performte schnell und gut.

 

Im Hafen gab es im Anschluss ein kleine Pasta-Party. Horst und ich nutzen die Gelegenheit, die von Thomas Ludwig produzierten Ankündigungsplakate zu präsentieren und die Teilnehmer mit drei Fragen zu konfrontieren: Wirst Du nächste Jahr nach Neusiedl zum Europacup 2021 kommen: Ja? Nein? Vielleicht? Für die meist „richtige“ Antwort gab es dann ebenfalls mitgebrachte Mozartkugeln. Horst war großzügig und beschenkt auch - nein vor allem - die Damen.

 

Beim Abendessen im San Remo - “La vera Carbonara“ per me - wurde noch einmal alles, also wirklich alles nachbesprochen.

 

Mittwoch: Lay-Day, aber ab Mittag wunderbare Ora. Bei der Fraglia nur noch mehr Motte-Segler, aber keine O-Jollisti.  Die waren entweder radeln, einkaufen und/oder mit tausenden Touristen in den engen Gassen von Malcesine unterwegs.

Martl und ich stellten unabhängig voneinander fest, dass wir das ganze Jahr viel dafür gäben, am Gardasee segeln zu können und beschlossen den schönen Nachmittag deshalb auch genau dafür zu nutzen. Martl nahm sich sogar Zeit, die allabendliche psychologische Betreuung um eine praktische Einheit am Wasser zu ergänzen. „Danke für die Tipps und noch mehr für Deine Geduld, Martl!“

 

Quasi als Gegenleistung „opferte“ ich mich dann bei der Wahl des Lokals und verzichtete auf die üblichen Spagetti Carbonara. Jetzt kennt auch Martl die “Speck Stube“ am Hang über Malcesine, den integrierten Segleraltar, die üppigen Spezialitäten und die gar nicht italienische Biergartenatmosphäre. 

 

Am Donnerstag dann die Wettfahrten 6 bis 8. Bei mir ging es leicht bergauf, bei Martl steil. Er fuhr die Plätze 3, 11 und 7. Das Training am Lay-Day machte sich bezahlt. („Nichts zu danken, Martl!“)

 

Freitag, Finaltag und schon ab der Früh Ora. Was uns zuerst nur ungewöhnlich vorkam, ergänzte der Wettfahrtleiter mit seiner Erfahrung: „molto vento oggi” … und die Prognose war nicht untertrieben.

Einige Leichtgewichte im Feld beschlossen gleich gar nicht auszulaufen, andere, darunter auch deutlich schwerere, drehten am Weg zum Start um, Horst, nach anfänglichem Versuch doch um Schonung seines Holzboots bemüht, erst beim Startschiff.

 

Ich gestehe: ganz wohl war mir ebenfalls nicht, aber nicht versuchen wollte ich es auch nicht. Bis zur Luv komme ich - hoffentlich - schon, und ans bergab düsen denke ich bis dahin einfach nicht. Und ans allfällige Umschmeißen schon gar nicht.

 

Martl, dem bei diesen Bedingungen sicher viel zuzutrauen gewesen wäre, hatte echtes Pech. Der Ruderbeschlag seines Bootes brach und so strich er 20 Minuten vor dem Ankündigungssignal das Segel und wurde reingeschleppt. Wirklich schade, dass ihm durch so ein Malheur die Möglichkeit sich im Klassement noch weiter vorzusegeln genommen wurde!

 

Die beiden Wettfahrten mit den verbliebenen ungefähr 40 Booten hatten es dann in sich. Noch nie bin ich bei so viel Wind und so hohen Wellen mit der O-Jolle unterwegs gewesen.

 

Es ging weit besser als befürchtet, nur bei beziehungsweise nach meiner allerletzten Halse kam noch einmal etwas Spannung auf. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: das Segel schnalzte derart heftig ins neue Lee, dass die Verankerung eines der beiden Blöcke aus dem Großbaum „gezupft“ wurde. Das bedeutete die letzten gut 600 Meter ganz direkt übersetzt zu bewältigen, also Schot am Großbaum angeschlagen und dann über den Fußblock in die Hand. Bei jeder Bö hatte ich das Gefühl, dass die Hand dünner und der Arm länger wurde. Doch es war schnell vorbei und der Schmerz ebenso schnell vergessen, denn es waren ebenso aufregende wie herausfordernde vier Runden, mit einigen 180-Puls-Momenten und einem unglaublich guten Gefühl im Ziel! Dass selbst erfahrene Starkwindsegler erkennbare Probleme hatten, durch die Wenden zu kommen und manche sogar kenterten, macht auch ein wenig stolz … und außerdem zuversichtlich für die Zukunft.

 

Und dann noch ein paar Schreckminuten:

Als ich zum Slip kam und das Großsegel bergen wollte, verhedderte sich das Fall mit der Klemme und die immer noch heftige Ora samt zugehörigen (Brandungs-)Wellen wollten “Hasi“ an Land spülen. Zuerst konnte ich zwar durch beherztes ins Wasser springen und obwohl ohne Bodenkontakt als lebendiger Fender zwischen Steinmole und Rumpf noch verhindern, dass der Rumpf seitlich an das Ufer gedrückt wird, doch als das Boot dann mit vereinten Kräften spontanhilfsbereiter Motte-Segler – „Thank You!“ - und eines Holländischen Mitseglers – ich glaube es war NED 680 oder 608: „bedankt!“ - gegen die hohen Wellen zur „Einfahrt“ gezogen, geschoben, gedrückt wurde, war leider doch (noch) Geröll im Weg und der Bug litt ein wenig.

 

Unabhängig von dem Missgeschick, wie sieht die Bilanz der ganzen Woche aus?

·        Der Gardasee war, ist und bleibt das Maß für Segeln vom Feinsten

·        Die Veranstaltung wurde von den Deutschen Freunden perfekt vorbereitet und von den Verantwortlichen der Fraglia Vela
  Malcesine professionell durchgeführt

·       Gute Stimmung und gegenseitige Wertschätzung scheinen auch auf diesem Niveau die Verhaltensmuster der O-Jollen-Gemeinschaft 

·       Einen Vorzeigedoppelzimmerpartner kennen und schätzen gelernt

·       Bedauerlicherweise nur 3 Österreicher am Start, obwohl wir die kürzeste Anreise haben. Das muss sich ändern!!!

 

 

Beim Heimfahren mit – Gott sei Dank – nur viel Gegenverkehr ließ ich die Ereignisse immer wieder Revue passieren, lächelte vor mich hin und war mir bereits sicher: Wenn die Kollegen meinen Bericht lesen, wird es sich ändern.

 

 

Andreas Knittel, AUT 104

Mattsee am 29. August 2021